Dünnschichttransistoren und Backplanes

Dünnschichttransistoren (TFTs) mit verschiedenen Halbleitern sind eines der wichtigsten Arbetisgebiete am IGM.

 

Dünnschichttransistoren, Schaltungen und Backplanes

Am IGM und den Vorgängerinstituten werden seit den späten 1970er Jahren Dünnschichttransistoren (Thin Film Transistor, TFT) zur Integration  von Elektronik auf nicht-einkristallinen Oberflächen (Glas, Kunstofffolien, Metallfolien, etc.) untersucht. Die Fertigung der Transistoren findet im 1993 eröffneten institutseigenen Reinraumlabor statt, in welchem alle relevanten Prozesse der TFT- und Flachbildschirmherstellung auf Substratgrößen bis 400 x 400 mm² durchgeführt werden können. Durch dieses Reinraumlabor ist das IGM in der Lage, neben der Durchführung reiner Prozessentwicklung zur Herstellung von Dünnschichttransistoren auch komplexe Systeme wie integrierte Schaltungen (Schieberegister, Logik, Operationsverstärker) und Backplanes (Aktiv-Matrizen) für LCD und OLED Flachbildschirme bis zu einer maximalen Bildschirmdiagonale von 18" (45cm) entwickeln und fertigen zu können.

Derzeit stehen am IGM folgende TFT-Technologien zur Verfügung:

AMOLED mit IGM a-Si:H Backplane
AMOLED mit IGM a-Si:H Backplane

Feldeffekttransistoren auf Basis von amorphem Silizium sind das Arbeitstier der Flachbildschirmindustrie. Es kann bei moderaten Temperaturen (<300°C) per plasmaunterstützter Gasphasenabscheidung (PECVD) auf Glassubstraten aufgebracht werden. Wie beim kristallinen Silizium sind auch im amorphem Silizium die Si-Atome vierwertig. Sie bilden jedoch kein regelmäßiges Kristallgitter, sodern eine mehr oder weniger unregelmäßige Struktur mit unterschiedlichen Bindungswinkeln und -Längen. Ebenfalls vorkommende offene Bindungen einzelner Atome werden mit Wasserstoff abgesättigt. Im so entstehenden Festkörper können sich Elektronen nur mäßig, Defektelektronen (Löcher) fast gar gicht bewegen. Die maximal erreichbaren Ladungsträgerbeweglichkeiten sind auf weniger als 1cm²/Vs beschränkt (zum Vergleich: Einkristallines Silizium ca. 500cm²/Vs). Entsprechend gering sind die maximalen Arbeitsgeschwindigkeiten von a-Si:H basierten Schaltungen, die bei wenigen 100kHz liegen. Typische Anwendungen von a-Si:H TFTs sind die Aktiv-Matrizen von Computermonitoren und Flüssigkristallfernsehern.

Vorteile von a-Si-H Transistoren sind die geringen Sperrströme (<1pA), die daraus resultierenden hohen Schaltverhältnisse, die geringen Kosten und die hohe industrielle Verfügbarkeit.

Am IGM können sowohl Bottom-Gate TFTs (Industriestandard) als auch Top-Gate TFTs (hier entwickelter Prozess mit reduziertem Fertigungsaufwand) auf Basis von amorphem Silizium hergestellt werden.

 

LCD-Display mit LTPS Backplane (vollständig bei uns gefertigt)
LCD-Display mit LTPS Backplane (vollständig bei uns gefertigt)

Polykristallines Niedertemperatur-Silizium (Temperaturen im Prozess <500°C) wird typischerweise erzeugt, indem eine vorher abgeschiedene dünne Schicht (50nm) aus amorphem Silizium durch einen gepulsten UV-Laser kurzzeitig aufgeschmolzen wird, wobei das UV-Licht in der Silizium-Schicht praktisch vollständig absorbiert und das darunter liegende Substratmaterial kaum erhitzt wird. Beim Wiedererstarren kristallisiert die vorher amorphe Siliziumschicht von zufälligen Kristallisationskeimen aus. Es bilden sich einzelne, typischerweise einige 100nm große Siliziumkristallite (Körner) von hervorragender Qualität, die von störenden Korngrenzen umgeben sind.

Durch die hohe Qualität der einzelnen Körner werden wesentlich höhere Ladungsträgerbeweglichkeiten erziehlt, als bei a-Si:H. diese liegen für Elektronen bei ca. 100cm²/Vs, für Löcher bei ca. 50cm²/Vs. Dadurch sind Arbeitsgeschwindigkeiten von bis zu 100MHz möglich, so dass nicht nur Aktiv-Matrizen sondern auch die zugehörigen Ansteuerschaltungen (Treiber) auf dem Substrat mitintegriert werden können.

Den Vorteilen von LTPS steht ein erhöhter apperativer Aufwand und eine erhöhte Prozesskomplexität im Vergleich mit a-Si:H gegenüber.

Durch die erhöhe Leitfähigkeit der Transistoren können diese viel kleiner ausfallen, als bei a-Si:H, so dass LTPS-TFTs vielfach bei hochauflösenden Anzeigen in Smartphones und Tablet-Computern sowie bei hochauflösenden Notebook-Computern anwendung finden.

Am IGM stehen NMOS, PMOS und CMOS LTPS-Prozesse zur Verfügung.

Fast vollständig transparente Elektronik basierend auf IGZO
Fast vollständig transparente Elektronik basierend auf IGZO

Indium-Gallium-Zink-Oxid ist ein Material, das erst in den 2000er Jahren als geeigneter Halbleiter für Dünnschichttransistoren erkannt wurde. Das Material kann bei Raumtemperatur gesputtert (Kathodenzerstäubt) oder vakuumfrei aus entsprechenden "Tinten" gedruckt werden. Obwohl IGZO amorphe Schichten bildet, ist die Elektronenbeweglichkeit mit ca. 10cm²/Vs bis 20cm²/Vs deutlich höher als bei anderen amorphen Halbleitern. Die Löcherbeweglichkeit ist extrem gering. IGZO-TFTs zeichnen sich durch sehr geringe Leckströme und hohes Schaltverhältnis aus. Durch seine große Bandlücke ist IGZO optisch transparent und eignet sich daher auch für den Aufbau transparenter Elektronik, beispielsweise für intelligente Gläser oder Ähnliches. Obwohl IGZO-Schichten bei Raumtemperatur hergestellt werden können, erfordert die Herstellung von Transistoren mit guten elektrischen Eigenschaften Temperaturschritte bei bis zu 300°C.

IGZO eignet sich als Halbleitermaterial dort, wo a-Si:H nicht leistungsfähig genug ist und auf sehr hohe Schaltgeschwindigkeiten oder integrierte CMOS-Schaltungen verzichtet werden kann.

Am IGM stehen IGZO Prozesse sowohl auf Glas als auch auf Kunststofffolien zur Verfügung.

OTFT-PDLC auf Plastikfolie
OTFT-PDLC auf Plastikfolie

Organische Halbleiter bezeichnen eine ganze Klasse von verschiedenen Materialien. Allen gemein ist, dass sie aus speziellen organischen, d.h. kohlenwasserstoffbasierten Molekülen aufgebaut sind. Diese Moleküle können aus einigen 10 bis 100 Atomen (sog. kleine Moleküle) bis hin zu einigen Millionen Molekülen (Polymere) aufgebaut sein. Alle organischen Halbleiter besitzen die Eigenschaft, dass Elektronen sich innerhalb der Moleküle relativ frei bewegen können (delokalisierte Elektronen durch konjugierte Bindungen), während zwischen den Molekülen mehr oder weniger hohe Energiebarrieren bestehen, die überwunden werden müssen. Es ergeben sich Ladungsträgerbeweglichkeiten von maximal etwa 1cm²/Vs bis 5cm²/Vs, bei vielen Materialien aber auch mehrere Größenordnungen weniger. Im Allgemeinen sind die Eigenschaften der kleinen Moleküle besser, als die der Polymere, welche dafür einfacher zu prozessieren sind. N- und p-Kanal TFTs sind möglich, wobei p-Kanal OTFTs in der Regel bessere Eigenschaften besitzen.

Vorteil praktisch aller organischer Halbleiter ist die prozessierbarkeit bei niedrigen Temperaturen (Raumtemperatur bis ca. 100°C), die organische Halbleiter besonders geeignet für die Herstellung auf Kunststoffsubstraten machen.

Am IGM können OTFTs mit gedampften oder aus der Lösung gedruckten Halbleiterschichten hergestellt werden.

Ausgangskennlinien eines CNT-TFTs
Ausgangskennlinien eines CNT-TFTs

Kohlenstoffnanoröhren (Carbon nano tubes, CNT) sind ein- oder mehrwandige Röhrchen aus Kohlenstoff mit einem Durchmesser von wenigen Nanomertern und einer Länge im Mikrometerbereich, die man sich als aufgewickelte, einzelne Lagen eines Graphitkristalls (Graphenlagen) vorstellen kann. Je nachdem, wie "schräg" die Röhren gewickelt sind (Chiralität) haben die CNTs entweder metallischen (sehr gute Leiter) oder halbleitenden Charakter.

Innerhalb einzelner Nanoröhren können extreme Ladungsträgerbeweglichkeiten (Größenordnung 100000cm²/Vs) auftreten. Da es derzeit nicht möglich ist, einzelne Nanoröhren gezielt in großer Zahl auf einem Substrat unterzubringen und zu kontaktieren, können für die Anwendung in Dünnschichttransistoren lediglich ungeordnete Netzwerke aus sehr vielen Röhrchen zur anwendung kommen. Die hier erreichbaren Beweglichkeiten sind viel geringer, können aber dennoch 1cm²/Vs bis 10cm²/Vs betragen. Es ist zu erwarten, dass diese Werte zukünftig stark verbessert werden.

Eine weitere mögliche Anwendung von (metallischen) CNTs sind transparente, leitfähige Schichten, beispielsweise als Bildpunktelektroden in Flüssigkristalldisplays.

Am IGM wurden erfolgreich CNT-TFTs sowie Flüssigkristallzellen und OLEDs mit CNT-Elektroden aufgebaut.

Fragen zu TFTs und Backplanes?

Holger Baur

Dipl.-Ing.

Stellvertretender Laborleiter

Dieses Bild zeigt Patrick Schalberger

Patrick Schalberger

Dr.-Ing.

Wissenschaftlicher Mitarbeiter

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